Er ist in uns. Er verbirgt sich hinter unserem Spiegelbild und lauert an jeder Bushaltestelle: Felix Schwimmer. Abgeurteilt und dingfest gemacht wandert in den nächsten Wochen ein Mann lebenslänglich hinter Gitter, der in Wahrheit Sinnbild einer ganzen Gesellschaft ist. Aber was verbirgt sich hinter diesem Familienmörder wirklich? Was treibt einen Menschen dazu, seine Frau und seinen Sohn zu töten? War es wirklich Eifersucht, die einen Mann hat ausrasten lassen – inmitten einer Gesellschaft, in der er jahrelang unsichtbar leben konnte? Nein. Es ist mehr. Es ist Angst. Angst vor dem Leben, Angst vor Entscheidung. Angst vor Risiko und vor Verlust.
Was ich jetzt töte, kann mir nicht mehr genommen werden. Was ich jetzt beende, kann nicht mehr aufhören. Was geschieht mit uns? Was passiert mit uns in all den Kaufhäusern, wenn wir unser schwer verdientes Geld brav wieder ausgeben. Was geschieht mit uns, wenn wir Tag für Tag zur Arbeit gehen? Was geschieht mit uns, wenn wir mit unseren Partnern zu Abend essen und dann schweigend vor dem Fernseher einschlafen? Was würde geschehen, wenn all das morgen vorbei wäre? All die Sicherheit? Der Alltag – vorbei mit einem Schlag. Was wäre, wenn wir Schluss machten. Mit allem. Niemand hätte mehr die Kraft, unser Leben zu verändern. Einfach Schluss machen – es wäre so einfach.
Felix Schwimmer hat Schluss gemacht. Er hat seine Waffe gegen seine Frau und seinen Sohn erhoben. Er hat sie vom Leid eines Lebens erlöst. Felix Schwimmer war mutig und fällte eine Entscheidung. Er entschied sich für das Ende. Wir aber müssen nicht zu Mördern werden. Wir brauchen uns nur umzusehen, um zu bemerken, dass die meisten von uns längst zu Mördern geworden sind. Schließen wir uns ihnen an! Felix Schwimmer. Ein Heiliger. Ein Symbol für den Verfall unserer Gesellschaft. Er tötet, weil er beenden möchte. Weil er den Hass und das Leid in seiner Seele töten will, tötet er das, was er liebte. Drehen wir den Spieß um, und fangen wir an zu leben. Es genügt, wenn es einen Felix Schwimmer gibt. Wenn der Verstand nicht hilft, dann hilft der Teufel. Hüten wir uns davor!
René Leidthal
